Der SPIEGEL Kantine
Terug naar projectenlijst- Locatie
- Ericusspitze 1, 20457 Hamburg, Duitsland
- Jaar
- 2011
Im Oktober 2011 hat die SPIEGEL-Gruppe, zu der u.a. das wichtigste deutsche Nachrichtenmagazin Der SPIEGEL gehört, ihr neues Verlagsgebäude in der Hamburger Hafencity bezogen. Den eindrucksvollen Bau an der Ericusspitze, der vom Wasser der Elbe umspült wird, hat der dänische Architekt Henning Larsen entworfen. Ippolito Fleitz Group wurde beauftragt, eine neue Mitarbeiterkantine für das Haus zu gestalten. Die berühmte und mittlerweile denkmalgeschützte Kantine des Vorgängerbaus entwarf 1969 Verner Panton. Dieses Erbe war eine besondere Herausforderung.
Am Anfang unserer Überlegungen stand die Frage, ob die ikonische Einrichtung von Verner Panton in einem neuen Konzept integriert werden könnte. Wir haben uns nach reiflicher Überlegung dagegen entschieden, die Einrichtung zu übernehmen. Gegen einen Wiedereinsatz sprach zum einen der polygonale Raumzuschnitt des Neubaus, an dem das auf einem Quadrat basierende modulare Konzept von Panton zwangsläufig in kaum kontrollierbare Restflächen gemündet hätte. Der Neubau bietet außerdem kaum große, durchgängige Wandflächen, von denen aber das Pantonkonzept gerade lebte. Auch verfügte der Altbau über drei getrennte, kompakte Raumeinheiten, die Panton form- und farbgewaltig mit seiner Deckentopographie bespielte. Der neue Raum ist dagegen ein flächenmäßig sehr großer und horizontal wirkender Raum. Vor allem aber erschien es uns logisch, die neue Architektur des Hauses durch eine zeitgenössische, zukunftsorientierte Innenraumgestaltung zu begleiten – genau das, was auch Pantons Einrichtung für den einstigen Neubau war.
Die Mitarbeiterkantine war und ist – nicht zuletzt auch wegen ihrer prominenten Lage im Gebäude und der starken Wirkung nach außen – eine Visitenkarte des Unternehmens SPIEGEL, das seine journalistische Philosophie genauso wie seine Gesprächskultur widerspiegelt. Trotzdem ist der Raum ein nach innen gerichteter Bereich, der nur den Mitarbeitern des SPIEGELS und seinen Gästen zur Verfügung steht. Es handelt sich also nicht um einen Markenraum. Ausgangspunkt unserer Überlegungen waren die Qualitäten des Raumes und des Gebäudes. Das Haus besticht durch seine exponierte Lage am Wasser, seine moderne Architekturauffassung, den im Inneren der vertikale Binnenraum des 13-stöckigen Atriums prägt. Der Grundriss der Kantine beschreibt einen großen, polygonalen Raum, dessen starke horizontale Wirkung durch das an zwei Seiten durchgehende Fensterband noch verstärkt wird.
Da der Raum flexibel nutzbar sein muss, war schnell klar, dass die Deckengestaltung das identitätsstiftende Moment der Kantine werden würde. Dementsprechend, sowie der Assoziation aus der Lage im Hafen folgend, haben wir eine matt schimmernde Decke entwickelt, die ähnlich wie Wasser das Licht reflektiert. Sie besteht aus 4203, im leichten Winkel zueinander abgehängten Ronden aus mikroperforiertem, matt geschliffenem Aluminium, kaschiert auf Schall absorbierendes Trägermaterial. Die natürliche Lichtatmosphäre in der Kantine reagiert damit auf die Umgebung. Am Tag lebt die Decke von der Wirkung des umgebenden Wassers und des Lichts. Die matt schimmernden „Teller“ nehmen das Tageslicht an und bilden an der Decke ein sanft reflektierendes, lebendiges Pendant zur Wasserfläche des Ericusgrabens. Großzügige Lichtschalen zonieren den Raum durch ihre intensive Farbigkeit. Die Farben sorgen auch an grauen Tagen für eine positive Atmosphäre im Raum. Durch dimmbare Pendelleuchten, die sich direkt über den Tischen befinden, kann das Beleuchtungsniveau stufenlos reguliert werden. Am Abend verwandeln sich die Lichtschalen in indirekt beleuchtete Lichtobjekte. Die Grundstimmung in der Kantine wird durch das warmweiße „Ambient Light“ der Pendelleuchten erzeugt. Indirektes Licht in ausgewählten Pendelleuchten beleuchtet dezent die Taler an der Decke. Fokussierte Downlights, versteckt in der Decke platziert, ergänzen durch akzentuiertes Licht die differenzierte, hochwertige Grundstimmung. Deckenintegrierte Wandfluter erhellen gleichmäßig die Wandflächen. Sie sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis von horizontalen und vertikalen Beleuchtungsstärken und optimieren das abendliche Raumgefühl – auch als Spiegelung in den Glasflächen.
Die Decke bietet auch funktionale Vorteile: Der Bereich über den Deckentellern wurde samt der notwendigen Haustechnikinstallation schwarz ausgeführt und damit unsichtbar, Drallauslässe und Sprinkler verschwinden visuell. Die Oberdecke wurde zusätzlich schallabsorbierend ausgeführt, um die mikroperforierten Teller in ihrer akustischen Wirkung zu ergänzen.
Trotz der Größe des Raumes sollte nie der Eindruck eines monotonen seriellen Aufbaus entstehen und Austauschbarkeit vermieden werden. Stattdessen geht es darum, die beim SPIEGEL über Jahrzehnte gewachsene Gesprächskultur beim Essen abzubilden. Die Mitarbeiterkantine ist ein Treffpunkt, ein Ort der Kultur und des informellen Meinungsaustausch. Gleichzeitig sollten aber auch alle funktionalen Aspekte wie Erreichbarkeit und Übersichtlichkeit gewährleistet sein.
Die runden, kommunikativen Tische bestehen aus einem schwarz gepulverten Stahlgestell, das in einer weichen Bewegung aus dem Boden zu wachsen scheint. Als Tischplatte wird eine Granitplatte aufgesetzt, die eingelaserte Rasterung auf der Oberfläche sorgt in Verbindung mit der Deckenleuchte für blendfreies brillantes Licht. Die Tische sind in drei großen Gruppen in freier Anordnung im Raum platziert und setzen so dem polygonalen Grundriss ein organisches Statement entgegen. Die Bewegungszonen sind dabei eindeutig erkennbar. In den fugenlosen Boden aus weißem Terrazzo sind drei Linien eingelassenen: Sie geben den Tischen entlang der Laufzonen Halt. Entlang dieser Linien ist in vier Bereichen ein abnehmbarer leichter Raumfilter aus weißen, vertikal abgependelten, Stäben angeordnet. Große gelbe Lichtschalen unterstützen die Zonierung des Raums genauso, wie die abgependelten Leuchten die Tische im Raum verorten.
Die Gebäudekerne bekommen durch eine Holzpaneelierung große Tiefenwirkung. Die geweißte und geölte Oberfläche erscheint durch ein vertikales, wellenförmiges Relief noch tiefer und bekommt so eine fast textile Anmutung. Durch eine zickzackförmig verlaufende Glasfassade entsteht an einer Stirnseite ein abtrennbarer Bereich für separate Veranstaltung oder die Nutzung der Kantine in den späten Stunden. Ein Schwarm leuchtender, abgehängter Plexiglasstäbe sorgt hier für eine blendfreie Beleuchtung und eine intime Inszenierung. Die Glasfassade zwischen diesem Bereich und der Kantine ist aus zweifach verspiegeltem Glas gefertigt. So wird in Zeiten, in denen beiden Bereiche genutzt werden, die Trennung fast immateriell. Wenn die Kantine jedoch geschlossen und damit dunkler ist, wirkt die Fassade halb verspiegelt und halb durchscheinend.
Die Mitarbeiterkantine im neuen Headquarter der SPIEGEL-Gruppe ist ein Raum, der allen Ansprüchen an die Funktionalität gerecht wird, und gleichzeitig durch seine starke visuelle Wirkung zu einem identitätsstiftenden Ort wird. Dabei unterstützt er nach innen die gewachsene Kommunikationskultur des Hauses und transportiert diese Werte in einer großen Geste nach außen.
Kunde
Verlagsgruppe Der SPIEGEL
Fläche
525 m²
Team
Peter Ippolito, Gunter Fleitz, Tilla Goldberg, Christian Kirschenmann, Tim Lessmann, Alexander Fehre, Christine Ackermann, Roger Gasperlin, Katja Heinemann
Lichtplanung
pfarré lighting design