Kulturwandel in der Planungspraxis: Albert Achammer im Interview
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ATP setzt auf integrale Zusammenarbeit für taxonomiegerechte Planung
„Wir wollen die Welt mit unseren Gebäuden besser machen.“ Diese Vision von ATP architekten ingenieure ist Programm für mehr als 1000 Mitarbeitende an elf Standorten in DACH und CEE. Erfolgsfaktor des führenden Büros für Integrale Planung in Europa1) ist die stringente Methodik einer BIM-unterstützten interdisziplinären Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieuren – mit klarem Fokus auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.
Albert Achammer, Architekt ETH und Geschäftsführer von ATP Hamburg, des jüngsten deutschen ATP-Standortes, spricht im Interview über den ATP-Green-Deal und erwartet einen längst überfälligen Kulturwandel in Planung und Bau.
1) BD online, Top 100, 2021, Platz 1 in Europa
Wie weit ist die Bauwirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit?
Das Ziel einer weitgehenden Dekarbonisierung der Weltwirtschaft, also eine Verringerung des CO2-Ausstoßes von 80 - 95 % bis 2050, verpflichtet auch und gerade die Baubranche umzudenken und zu neuen, umweltverträglicheren Lösungen zu kommen. Alle Akteure stehen in der Verantwortung, (endlich) neue, innovative Wege im Sinne des Klimaschutzes zu beschreiten. Wir brauchen hier dringend mehr Mut zur Veränderung und Wille zur Zusammenarbeit. Ganz besonders, weil die Bauwirtschaft nicht nur einer der größten Wirtschaftszweige ist, sondern leider auch als eine der größten Verursacherinnen von CO2-Emissionen gilt.
Welchen Beitrag können Sie als Planer dabei leisten?
Als strategischem Partner des Auftraggebers fällt uns in der Planung eine sehr große Verantwortung zu, denn die Weichen werden gestellt, lange bevor die Bagger auffahren. Als Planer müssen wir daher unsere Auftraggeber darin bestärken, ökonomische Ziele einer Baumaßnahme mit anderen Aspekten der Nachhaltigkeit, wie gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine intakte Umwelt, Vermeidung von Verschwendung und Ressourcenschonung über den gesamten Lebenszyklus zu verschränken. Denn die ökologische und sozio-kulturelle Nachhaltigkeit nimmt schlussendlich direkten Einfluss auf die ökonomische Nachhaltigkeit unserer Gebäude.
Das heißt, es liegt viel Überzeugungsarbeit vor Ihnen?
Ich denke nicht. Das Bewusstsein hierfür ist bei den meisten Bauherrn mittlerweile etabliert, die EU-Taxonomie ist spätestens seit letztem Jahr in der Immobilienwirtschaft ein bedeutender Faktor geworden. Es geht nun vielmehr um die professionelle Herangehensweise, mit der wir unsere Auftraggeber an die Thematik heranführen und gesamthaft betreuen können. So beschäftigen wir seit einiger Zeit in enger Zusammenarbeit mit unserer Forschungs- und Sonderplanungsgesellschaft ATP sustain an allen Standorten Experten für Nachhaltigkeit, die in jedem unserer integralen Planungsteams von Beginn an tätig sind. Wir entwickelten spezielle Maßnahmenbündel, sie sind Teil unseres ATP-Green-Deals, mit denen wir unsere Kunden durch die gesamte Planungs- und Bauzeit begleiten. Das ist ein Service, den wir deshalb leisten können, da wir ATP-weit über ein Netzwerk von Planungs-Spezialisten verfügen, die es gewohnt sind, in interdisziplinärer Zusammenarbeit die Herausforderungen für unsere Auftraggeber zu bewältigen.
Wie gelingt die Planung eines nachhaltigen Gebäudes?
Wir sind davon überzeugt, dass wir Architekten und Ingenieure mit ganzheitlichem Denken und vorausschauendem Planen die gebaute Umwelt positiv beeinflussen können – und vor allem müssen. Daher haben wir bei ATP bereits in den 1970er Jahren begonnen, der gängigen Verschwendung von Zeit und Ressourcen im Planungs- und Bauprozess mit einem internen Kulturwandel zu begegnen. Über die letzten 45 Jahre entwickelten wir eine europäische Form der Integralen Planung, bei der alle am Planungsprozess Beteiligten von Beginn an am Projekt arbeiten – auf Augenhöhe, interdisziplinär, simultan und seit 2012 durchgehend digital mit BIM. Wir haben damit beste Erfahrungen gemacht und denken, das ist der Weg in die Zukunft, die unbedingte Voraussetzung für höchste Qualität im gesamten Prozess von Planung, Bau und Betrieb. Nachhaltige Gebäude entstehen somit als Resultat einer wahrlich interdisziplinären Zusammenarbeit.
Wie funktioniert die Integrale Planung in der Praxis?
Integrale Planung ist nicht nur eine Arbeitsweise, sondern eine Haltung. Sie beginnt im Kopf. Wir lehnen das Silodenken der einzelnen Disziplinen ab und setzen uns von Beginn an zusammen, um alle am Planungsprozess Beteiligten, auch den Kunden und andere Stakeholder, frühzeitig zu integrieren. Da wir unsere Büros auf integrale Zusammenarbeit optimiert haben, gibt es einen ständigen Wissensaustausch unter unseren Mitarbeitenden, was die Kooperation in den Projektteams zusätzlich erleichtert. Arbeitstechnisch sind wir seit bald 10 Jahren Vorreiter in der digitalen Planung (BIM) und entwickeln die notwendigen Anwendungen mit unseren IT-Experten weiter. Damit sind wir etwa in der Lage, bereits in einer frühen Planungsphase das Gebäude anhand seines „digitalen Zwillings” zu analysieren und zu simulieren, welche Maßnahmen die Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit des Gebäudes signifikant erhöhen. Wir können dem Kunden schon früh wichtige Entscheidungsgrundlagen liefern, etwa über Einsparungspotenziale über den gesamten Lebenszyklus. Architektur, Tragwerksplanung und Technische Gebäudeausrüstung können damit ihren Entwurfsentscheidungen viel früher belastbare Daten zugrunde legen. Ziel der digitalen integralen Planung ist es, die Qualität des Gebäudes zu steigern und gleichzeitig in allen Prozessen Verschwendung zu reduzieren. Wir wollen den Ressourcenverbrauch drastisch minimieren und streben effektiv die CO2-Neutralität in Errichtung bzw. Betrieb an.
Welche Maßnahmen könnten Branchenkollegen Ihrer Meinung nach zusätzlich unterstützen?
Die weltweit voranschreitende Knappheit von wertvollen Baumaterialien zwingt uns, künftig verstärkt in Kreisläufen zu denken. Denn smarte Wiederverwendung und Recycling von Bauprodukten und Materialien leisten einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen. Gebäude sollen – anstatt zu einer Ansammlung von Altlasten zu werden – als „Rohstofflager” genutzt werden. Die Zukunft liegt sicherlich in rückbaubaren und recyclingfähigen Gebäuden aus umweltverträglichen Materialien. Neben Grundlagenforschung zu wiederverwendbaren Baustoffen mit Produktherstellern, unterstützt ATP beispielsweise als Partnerunternehmen Madaster Germany, eine Plattform, die Materialien, Produkte und Elemente in Bauprojekten registriert und dokumentiert. Wir agieren dabei als Botschafter für eine Circular Economy und setzen mit der aktiven Nutzung des Registers von Madaster als Büro für Integrale Planung eine konkrete Maßnahme für den Klimaschutz.