Nachhaltigkeit und Elektromobilität sind wichtige Themen unserer Zeit, die auch die Zukunft prägen werden. Herr Toffol, wo steht in dieser Beziehung die Auto- und wo die Architekturbranche?
Jürg Toffol: Das Thema liegt mir in zweierlei Hinsicht am Herzen: Ich bin leidenschaftlicher Architekt. Und eine meiner Passionen sind alte Autos. Es ist interessant, dass die Bedeutung der Elektromobilität schon vor mehr als 100 Jahren erkannte wurde. Elektro- und Hybridautos gab es bereits, bevor Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auftauchten. Das Bezinauto setzte sich nur durch, weil der Elektrostarter erfunden wurde. Der Bezug des Automobils zur Architektur hat ebenfalls eine lange Geschichte. Zum Beispiel Le Corbusier schwärmte immer vom Autobau.
Wie das?
JT: Er sah das Auto als eine effizient hergestellte und auf das Notwendigste reduzierte Maschine. Le Corbusier fragte sich schon in den 1920er-Jahren, ob Häuser und Möbel so modern wie Autos gebaut werden könnten: zweckmässig und standardisiert – so wie es Henry Ford später mit der rationalen Fliessbandfertigung perfektionierte. Ich denke, Leidenschaft und Kreativität stecken in beiden Branchen, und beide arbeiten mit Prototypen: die Architekten mit Modellen, die Autobauer mit Studien und Show Cars.
Wie sehen Sie als Vertreter der Automobilbranche das, Herr Soltermann?
Bernhard Soltermann: Für mich ist der Vergleich zwischen Autos und Häusern spannend. Man kann es auch so sehen: Was bei Gebäuden das architektonische Fundament ist, ist beim E-Auto die Plattform, die Skateboard Architektur. Und da haben wir schon den gemeinsamen Begriff. Der MEB-Baukasten von Volkswagen ist das beste Beispiel dafür. In beiden Fällen lässt sich eine Plattform oder ein Fundament für die Masse skalieren. Beim Auto natürlich stärker als beim Hausbau. Anderseits werden die Interieurs von Autos immer wohnlicher und individueller ausstattbar. Man kann im Unterschied zu früher sogar von fahrenden Lounges sprechen, die zunehmend aus nachhaltigen Materialien bestehen. Immer öfter wird auch temporär oder zum Teil sogar permanent in Fahrzeugen gewohnt.
Bitte geben Sie dafür ein Beispiel.
BS: Ich denke da an die grosse Nachfrage nach Campern, der wir bald auch mit dem vollelektrischen VW ID.Buzz nachkommen können. Gerade im Falle dieses spezifischen Fahrzeuges bin ich überzeugt davon, dass die Nachfrage um ein Mehrfaches grösser sein wird als die Produktionskapazitäten. Der Trend ist offensichtlich: Die Elektromobilität ist in der Branche und im Markt angekommen.
Woher kommt dieser Wandel?
BS: Die Volkswagen Gruppe war der erste grosse europäische Konzern, der voll und damit konsequent auf die Linie der Elektromobilität eingeschwenkt ist, andere haben dann nachgezogen. So haben im Jahr 2020 unter Zugzwang alle Autohersteller ihre Strategie langfristig voll auf Elektromobilität ausgerichtet und Daten genannt, wann sie das letzte Auto mit Verbrennungsmotor entwickeln und produzieren wollen. Die E-Mobilität ist auch klar bei den Kunden angekommen, wenn man auf die Verkaufszahlen schaut. Rund 30 Prozent der verkauften Neuwagen verfügen heute über einen elektrifizierten Antrieb. Entsprechend voll sind die Auftragsbestände, die es nun zügig abzuarbeiten gilt. Den Flottenkunden kommt dabei eine wichtige Rolle zu, sie treiben die Nachfrage an. Denn ohne die Elektromobilität sind die CO2-Policies, die sich viele Unternehmen gesetzt haben, schlichtweg nicht zu schaffen. Übrigens: Eine weitere Parallele zwischen Autos und Immobilien sehe ich bei der Wärmepumpe: Sowohl Elektroautos als auch moderne Häuser sind mit einer solchen Technologie erhältlich.
Und wie sehen Sie als Architekt die Zukunft des Autos, Herr Toffol?
JT: Tatsächlich ist ein Auto heute bereits eine Art temporäre Immobilie, ein temporäres Gebäude, ein Haus auf Rädern. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Wie ein Gebäude strahlt ein Auto eine Haltung aus, weckt Emotionen, steht für Individualität. Gleichzeitig muss man sich aber fragen, ob man ein Auto künftig noch zwingend besitzen muss. Rund um das Thema Eigentum sind grundsätzlich neue intellektuelle Ansätze gefragt.
Sie sprechen von Individualität. Vor allem aus ökologischen Gründen vertreten manche die Auffassung, der Individualverkehr müsse deutlich verringert werden.
BS: Die bisherige Segmentierung in die Autofraktion einerseits und Grüne andererseits greift heute nicht mehr und gehört neu betrachtet. Autos werden mehr und mehr multimodal genutzt, und zwar nur dann, wenn man sie braucht. Das heisst, das Nutzen steht über dem Besitz. Das ist ein fundamentaler Wandel, und wir sehen in diesem Bereich eine grosse Nachfrage entstehen. In gewissen Überbauungen ist es schon heute gar nicht mehr gestattet, ein eigenes Auto und damit einen eigenen Parkplatz zu besitzen. In solchen Fällen sind neue Mobilitäts-Modelle gefragt. Die AMAG kann mit ihren Firmen Clyde und Europcar/ubeqoo attraktive Abo- und Nutzungs-Modelle anbieten, die sich an Kunden richten, die zwar ein Auto möchten, aber nur auf Zeit – für eine ganz kurze Dauer oder bis zu sechs Monate. Dieses Angebot richtet sich zum Beispiel auch an Fachkräfte, die für ein zeitlich befristetes Projekt in die Schweiz kommen und in dieser Zeit auf ein Auto angewiesen sind. Sie wollen aber möglichst nichts damit zu tun haben, Convenience steht im Vordergrund. Clyde wird ab 2024 nur noch Elektroautos in der Flotte haben. Man besitzt das Auto nicht mehr, man abonniert es für eine bestimmte Zeit. So kann man beispielsweise im Winter mit einem Auto unterwegs sein, während man im Sommer mit dem Velo fährt. Hier entstehen gerade neue Segmente und Geschäftsmodelle für die nächsten Generationen. Wenn neue Mobilitätsmodelle lanciert werden, dann sollen sie elektrisch sein. Das ist unsere konsequente Haltung bei der gesamten AMAG Gruppe.
JT: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass viele Fahrten gar nicht nötig sind, weil gewisse Arbeiten im Home-Office genauso gut ausgeführt werden können wie im Büro. Dafür kamen Lieferwagen zu uns nach Hause, um online bestellte Waren auszuliefern. Doch wollen wir hauptsächlich nur noch in der Freizeit mit dem eigenen Auto und mit dem Elektrovelo zur Arbeit fahren? Gleichwohl: Wenn ich an ein Elektroauto denke, muss es das Ziel sein, eine Reichweite von 1000 Kilometern zu haben und die leere Batterie in 5 Minuten wieder vollladen zu können. So könnte man mit Lust und Freude unterwegs sein. Wenn man das hinbekommt, wäre es grossartig. Bei einem modernen Gebäude geht es wiederum darum, möglichst viele Funktionen darin unterzubringen. Das können zum Beispiel Büros, Dienstleitungen, Gewerbe oder Kinos sein. Ein solches Bauwerk muss über einen gewaltigen Energiespeicher verfügen, damit auch die Elektroautos aufgeladen werden können. Das sollte in Zukunft auch induktiv möglich sein. Aber auch das Haus selber braucht natürlich Energie, die man mit einer Photovoltaikanlage oder mit Geothermie gewinnen kann. Das Grundproblem bleibt das Speichern und Verteilen der vorhandenen Energie.
Ubeeqo ist der Carsharing-Spezialist innerhalb der AMAG Gruppe und bietet durch innovative Technik echte Alternativen zum Autobesitz. Das Produktportfolio von Ubeeqo Schweiz umfasst Carsharing für Privatkunden und Unternehmen. Dabei wird das Ziel verfolgt, den Mobilitätsbedarf sowohl der privaten Nutzer als auch der Grossunternehmen zu decken. Es werden zwei Carsharing-Lösungen angeboten:
1. Carsharing-Flotten, die rund um die Uhr der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und von Einzelpersonen und Unternehmen genutzt werden können. Die Fahrzeuge sind an strategischen Standorten platziert und bieten Preise pro Stunde und Kilometer an.
2. Für grosse Unternehmen, Gemeinden oder für Überbauungen stehe Pool-Flotten im Angebot. Diese Geschäftslösung wird mit einer monatlichen Pauschale geregelt.
Ein grosses Problem der ganzen Bauwirtschaft ist die ökologische Nachhaltigkeit. Die Branche ist für den Löwenanteil der gesamten CO2-Eimissionen verantwortlich und produziert zudem grosse Mengen an Abfall, ja Sondermüll. Was, Herr Toffol, unternimmt Itten+Brechbühl konkret, um Nachhaltigkeit zu fördern?
JT: Wir müssen heute in der Bauwirtschaft viel mehr in Kreisläufen denken. Wir haben Projekte in Bearbeitung, die so geplant sind, dass die Gebäude später wieder rückgebaut und ihre Teile recycelt werden können. Es gibt in der Schweiz bereits funktionierende Bauteilbörsen und interessante Projekte aus gebrauchten Elementen. Wir selbst erstellen in Zürich gerade am Gloriarank beim Central eine Sporthalle in Holzbauweise, die man nach 25 Jahren abbauen und an einem anderen Ort wieder aufrichten kann. Insgesamt sind 90 Prozent der Materialien wiederverwertbar. In Basel sind wir aktuell daran, für die Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) ein Busdepot zu bauen, das über 6 Meter hohe Geschosse hat und über eine Ladeinfrastruktur für 144 Elektro-Busse verfügt. Dabei sind natürlich viele technisch hochkomplexe Fragen zu beantworten und die Antworten dann zu bündeln. Wo kommt die ganze Energie her? Was passiert bei einen Brand? Mit einer begrünten Fassade versuchen wir bei diesem Projekt ausserdem, CO2 zu binden. All das können wir nur, weil wir, wie auch die AMAG in ihrem Bereich, auf jahrzehntelanges Wissen zurückgreifen können. Leider bremsen die Normen hierzulande aber Innovationen oft aus. Sie hemmen zuweilen die Kreativität. Unsere Gesellschaft wagt kaum Risiken, dabei bedeuten diese nicht immer nur Gefahr, sondern manchmal vielmehr auch Chancen. Wir beteiligen uns darum an der Anpassung und Weiterentwicklung von Normen, um die Fortschritte zu beschleunigen.
Worin sehen Sie das grösste Problem, wollen wir die Klimakrise meistern?
JT: Eine der Hauptaufgaben besteht darin, das CO2-Problem zu lösen. Ein Energieproblem haben wir nicht. Energie ist genug da, man muss sie «nur» speichern und abrufbar machen können, wie man früher Sauerkraut für den Winter eingemacht hat. Und Energie muss sauber sein. Bei Itten+Brechbühl machen wir Architektur von A bis Z – eben von der Machbarkeitsstudie bis zum Rückbau. Dabei beziehen wir auch die nächste Generation mit ein und nehmen sie ernst: Zu unserem 100-Jahr-Jubiläum haben wir einen Wettbewerb für Studierende durchgeführt und sie zum Thema «Lernen der Zukunft» verschiedene Projekte erarbeiten lassen.
BS: Das ist ein interessanter Anknüpfungspunkt. Wir haben bei der AMAG ein neues Geschäftsmodell lanciert, das sich mit dem zentralen Thema «Laden und Energie» beschäftigt. Dafür bauen wir ein neues Team auf, das kontinuierlich wächst und zusammen mit Immobilienspezialisten die Gebäude der Zukunft konzeptionell auf die E-Mobilität vorbereitet. Unsere Ingenieure führen zum Beispiel Mobilitätsberatungen durch und unterstützen Kunden, vor allem Flottenbesitzer, dabei, wie sie die CO2-Vorgaben erfüllen können, wir gehen hier klar einen Schritt weiter als die bisherige Mobilitäts- und Flottenberatung. Das Problem bei vielen Fällen ist aber noch, dass es zu viele interne und externe Ansprechpartner gibt. Wir bieten deshalb ein 360-Grad-Ökosystem/Geschäftsmodell in Kooperation mit anderen Partnern an und entwickeln eine IT-Plattform, auf der alle nötigen Informationen wie etwa Fahrzeuge, Nutzer, Nutzungsverhalten, Immobilien, Infrastruktur und Energieflüsse abgebildet sind. Gegenwärtig testen wir das Tool mit verschiedenen Pilotkunden, im Herbst dieses Jahres kommen wir damit auf den Markt.
Was sind die grössten Hindernisse?
JT: Wir brauchen eine neue Kultur der Zusammenarbeit. Man muss sich Zeit nehmen, einander zuhören und miteinander diskutieren, damit man sich auf der Sachebene versteht. Das Alpha-Getue muss der gegenseitigen Wertschätzung weichen. Es braucht kleine kreative Teams, die lustvoll arbeiten und Verantwortung übernehmen. Wichtig ist, dass sie aus Menschen unterschiedlichen Alters bestehen. Denn dann werden Chancen-Risiken-Konstellationen besser eingeschätzt.
BS: Ein gutes Beispiel dafür ist die Allianz-Arena in München, die erfolgreich auf die E-Mobilität umgestellt wurde. Bei einem Spiel des FC Bayern München muss sie einen extremen Peak an elektrischer Energie liefern, da alle Verbraucher wie IT, Küche, Beleuchtung, Ladestationen etc. gleichzeitig Strom beziehen. Hier haben Architekten und viele Spezialisten, unter anderem aus der Mobilitätsbranche, eng zusammengearbeitet und einen eindrücklichen Showcase geschaffen.
Was Normen und Gesetze angeht, kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung nur beipflichten, Herr Toffol: In der Schweiz fehlt es an einheitlichen Regeln, in jedem Kanton gelten andere. Der Weg zu Veränderungen ist oft steinig. Wir stellen auch fest, dass Verwaltungen neuen Entwicklungen gegenüber nicht sehr offen sind und sich streng an die Reglemente halten, anstatt diese gezielt weiterzuentwickeln. Wir gehören einer Arbeitsgruppe des Bundesamts für Energie an, die versucht, hier aktiv mitzuarbeiten, mit dem Ziel, bei der Ausgestaltung von Normen und bei Verwaltungen rasche Fortschritte zu ermöglichen. Wir kümmern uns nebst den klassischen Flottenkunden neu auch um B2B-Kunden ohne Flotten wie Besitzer von Parkhäusern, Betreiber von Geschäftssitzen, Sportbahnen und -arenen.
Mit zusätzlichen Anforderungen an Gebäude sind auch Kosten verbunden. Wie gross ist die Bereitschaft von Bauherren, mehr Geld zu investieren?
JT: Eine zeitgemässe Planung ist langfristig nicht unbedingt mit Mehrkosten verbunden, im Gegenteil. Wenn man heutzutage ein Gebäude entwirft, muss man die Voraussetzungen schaffen für allfällige spätere Nachrüstungen und neue Nutzungen. Das bedingt eine intelligente Planung. Man verbetoniert nicht mehr so viel wie früher, sondern scheidet horizontale und vertikale Zonen aus und plant leere Rohre ein. Wir schaffen sozusagen Hüllen, in denen man sich zu jeder Zeit planerisch frei bewegen kann. An diesem Vorgehen sind auch die Investoren interessiert. Zwar mögen die Initialinvestitionen höher sein, doch können sie langfristig Geld sparen und eine höhere Rendite erzielen. Bei einer Überbauung in der Nähe von Basel schaffen wir beispielsweise schon heute die Voraussetzungen, dass in Zukunft jeder ein Elektroauto haben könnte.
BS: Wir stellen fest, dass viele Bauherren noch kein klares Konzept für die E-Mobilität haben, aber sehr empfänglich sind für eine Beratung und/oder für eine echte Kooperation.
JT: Geld ist nie das Problem, wenn wir nachhaltige und intelligente Lösungen präsentieren können. Gute Ideen finden immer Investoren.
Wie verändert die Elektromobilität die Gesellschaft?
BS: Die Gesellschaft sollte erkennen, dass sie eine riesige Chance ist. Immer mehr Menschen und vor allem Entscheidungsträger verstehen das bereits. Als Folge der Elektromobilität haben wir plötzlich neue Gesellschaftsmodelle und neue Berufsbilder bei der AMAG. Der ganze Volkswagen Konzern, zu dem die von AMAG importieren Marken VW, Audi, Skoda, Seat, Cupra und VW Nutzfahrzeuge gehören, ist mittelfristig auf Elektromobilität ausgerichtet, ohne Wenn und Aber. Das betrifft 670'000 Mitarbeitende auf allen Kontinenten, die Fahrzeuge, die Lieferketten, aber auch die Gebäude. Jedes Gebäude ist anders, hat andere Systeme. Wir haben Neu- und Bestandsbauten. Je nachdem ist es einfacher oder komplexer, die Voraussetzungen für eine Ladeinfrastruktur für Elektroautos zu schaffen. Man muss alles holistisch und intelligent durchdenken; «Intelligenz vor Kupfer», sagen wir jeweils. Nicht jede Technologie kann in jeder Liegenschaft angeschlossen werden, aber es gibt für alles eine Lösung.
JT: Es ist wichtig, über die eigene Nasenspitze hinauszudenken. Wir haben bei Itten+Brechbühl ein Atelier, in dem sich eine kleine Gruppe speziell Wettbewerben und neuen soziokulturellen Herausforderungen widmet. Jetzt ist der letzte Moment, um die Fehler der Vergangenheit auszubügeln. Bis anhin hat unsere Gesellschaft gesündigt und gehandelt, als ob es kein Morgen gäbe.
Hat die immer intensivere Diskussion um Nachhaltigkeit denn auch gestalterisch und ästhetisch Konsequenzen?
BS: In der Automobilindustrie ganz bestimmt: Die Art, wie ein Elektroauto konstruiert ist, bietet ganz neue Möglichkeiten bei der Raumausnutzung. Die Batterie ist im Unterboden verbaut, auf einer Skateboard-Architektur, der E-Motor ist viel kleiner als ein Verbrennungsmotor und das Getriebe fällt sogar ganz weg. Deshalb kann der Raum im Auto besser genutzt werden, und es entsteht auf der gleichen Grundfläche ein viel besseres Raumgefühl.
JT: Als Architekten sehen wir uns mit einem Zielkonflikt konfrontiert. Bei Neubauten müssen heute in Basel-Stadt zum Beispiel die Dächer begrünt werden. Zusätzlich kommt nun noch die Forderung hinzu, eben diese Dächer auch mit einer Photovoltaikanlage zu versehen. Sie bemerken den Widerspruch. Eine Lösung besteht darin, an den Fassaden Solarpanels anzubringen. Um möglichst viel Sonneneinstrahlung zu haben, gilt es auch, die Gebäude entsprechend auszurichten. Gewisse Einschränkungen der Kreativität dadurch sind nicht zu vermeiden. Aber es gibt zum Glück nicht mehr nur schwarze Solarpanels, sondern viele neue Materialien und Technologien, sodass keine ästhetische Beschränkung resultiert und sogar neue Gestaltungsmöglichkeiten entstehen.
BS: Wie in der Bauwirtschaft spielt auch in der Autobranche das Recycling eine immer grössere Rolle. Das gilt übrigens gerade auch für die Batterien von Elektroautos, deren Ökobilanz ja gerne kritisiert wird. Sie können zunächst repariert werden, wenn dies nötig ist. Eine Batterie der heutigen Generation ist auf mindestens 12 bis 15 Jahre ausgelegt, je nach Einsatzzweck. Später kann sie dann andernorts zum Einsatz kommen, in Form einer Second-Life-Verwendung, zum Beispiel als Speicherbatterien in Immobilien. Und ganz am Ende der Lebensdauer lassen sich rund 98 Prozent der Batteriebestandteile recyceln. Dieses Kreislaufprinzip gilt übrigens nicht nur für die Batterie, sondern auch für das ganze Auto.
Erkennen Sie bereits neue Trends und Entwicklungen, die künftig grosse Auswirkungen haben könnten?
BS: Momentan fehlen uns noch kleine, leichte und günstige Elektrofahrzeuge für die Masse. Wir müssen von den grossen, schweren Autos und vom «Grösser-schneller-weiter»-Denken wegkommen. Dafür soll man die kleinere Batterie häufiger laden, was in der Schweiz bald kein Problem mehr sein wird, da die Ladeinfrastruktur laufend ausgebaut wird – eben auch bei neuen Bauprojekten, aber auch in Form von Schnellladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen und in den Ballungszentren. Schon seit September 2019 gibt es hierzulande mehr öffentliche Ladestationen als Tankstellen, das wissen leider nur viel zu wenige. Es wird auch weiterhin sehr viel Geld in Schnellladenetze investiert, sodass innert 20 bis 25 Minuten die Batterie eines E-Autos wieder zu 80 Prozent geladen werden kann. GOFAST, um nur ein Beispiel zu nennen, beabsichtigt mindestens 200 Schnellladepunkte zu realisieren, auch Ionity und andere werden massiv ausbauen. Aus technischer Perspektive ist unser Problem nicht die Reichweite, wie viele meinen, sondern die CO2-Bilanz. Hochgesteckte Klimaziele können wir nur erreichen, indem wir das ganze Fahrzeug drauf ausrichten, CO2 einzusparen. So sollten die Reifen der E-Autos schmaler werden, der Luftwiderstand muss sinken, und der Stromverbrauch wird bei maximal 15 kW liegen.
Volton kümmert sich mit umfassender Beratung und Analyse um die gesamte Elektromobilität von Unternehmen und Flottenkunden. Dabei organisiert Volton, eine neue Marke der AMAG Gruppe, die Installation von Ladelösungen bei Firmen und bei deren Mitarbeitenden zu Hause. Weitere Bestandteile der Gesamtlösung sind die Volton Ladekarte und die innovative Volton Lade-App, die beide für eine einfache Handhabung, volle Kostentransparenz und maximalen E-Komfort sorgen.
Wie beurteilen Sie die politische Situation? Erfahren Sie Unterstützung oder spüren Sie gar Druck?
BS: Es gibt durchaus Unterstützung, die Zusammenarbeit in der vorhin genannten Arbeitsgruppe ist hervorragend. Ohne jetzt allzu politisch auftreten zu wollen: Zum Beispiel die Grünliberale Partei (GLP) ist dem Thema Elektromobilität gegenüber sehr aufgeschlossen und der Wirtschaft gegenüber nicht abgeneigt, das ist die richtige Mischung. Insgesamt ist die Politik bereit, Lösungen zu finden, da gibt es durchaus gemeinsame Verständnisse. Noch ein Hinweis: Dem Thema «Laden in Mehrparteiengebäuden» muss viel mehr Beachtung geschenkt werden, weil hier ein riesiges Potenzial in der Dekarbonisierung liegt. Das politische System der Schweiz ist jedoch im Vergleich zu anderen Ländern schon sehr träge, alles dauert länger, als nötig wäre. Gerade in wichtigen Fragestellungen wie der Dekarbonisierung könnte die Schweiz mit ihrer grossen Substanz in der Volkswirtschaft viel schneller vorangehen.
JT: Schon 1905 hat die Stadt Basel elektrische Feuerwehrautos beschafft und eine Vorreiterrolle eingenommen. Heute erwarte ich von der Politik, dass sie sinnvolle Rahmenbedingungen und Standards setzt, uns aber bei der Planung einen gewissen Spielraum lässt. Dafür müssen wir Architekten und Unternehmer uns aber auch aktiv einbringen. In Basel sind zum Beispiel die 2000-Watt-Vorschriften und Minergie-Standards üblich. Es gibt tatsächlich auch viele Förderprogramme. Man kann nicht sagen, dass uns die Politik behindert. Wir werden von der Politik und in den Verwaltungen ernst genommen und bekommen rasch einen Termin, wenn wir darum bitten. Die Türen zu den entscheidenden Stellen sind offen. Jedes Treffen ist immer eine grosse Herausforderung. Ich bin froh, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die sich politisch engagieren. Bei Itten+Brechbühl geben wir ihnen gerne die Zeit, die sie für ihr Engagement brauchen. Ich selber habe mich jahrelang politisch betätigt.
BS: Die AMAG war bis jetzt politisch nicht aktiv und hat sich auf diesem Feld ganz bewusst zurückgehalten. Wir sind jedoch im intensiven Austausch mit den relevanten Entscheidungsträgern, um unseren Beitrag zu leisten und unsere Expertise einzubringen.