Um die Elektromobilität in der Schweiz, dem Land der Mieterinnen und Mieter, weiter voranzubringen und ihr definitiv zum Durchbruch zu verhelfen, ist die Erstellung von zusätzlichen Ladestationen unabdingbar. Während der Ausbau im öffentlichen Raum recht zügig vonstatten geht, harzt es im privaten Bereich zum Teil noch. Vor allem in Mehrfamilienhäusern mit Einzel- oder Sammelgaragen, wo Fahrzeuge am längsten stehen und wo das Laden am sinnvollsten ist, klemmt es am meisten. Einerseits haben die Eigentümer und Vermieter keine Pflicht, Ladestationen einzurichten, anderseits haben die Mieterinnen und Mieter keinen Anspruch auf eine Lademöglichkeit am Wohnort. Zwar haben viele Vermieter mittlerweile erkannt, dass sich Ladestationen lohnen und eine Investition in die Zukunft sowie in die Umwelt sind.
Aber wenn diese Einsicht nicht gegeben ist oder wenn der Einbau von Ladestationen in Mehrfamilienhäusern gerade nicht in die Investitionsplanung passt, kann die Mieterschaft mit dem Einverständnis der Vermieter oder der Verwaltung eine Installation veranlassen – in der Regel auf eigene Kosten und mit der Verpflichtung auf Rückbau. An dieser besonderen Situation soll sich einiges ändern. Mit verschiedenen politischen Vorstössen auf kantonaler und eidgenössischer Ebene wird und wurde eine Pflicht zur Ausrüstung von Parkplätzen mit der elektrischen Grundinfrastruktur angestrebt. Thema: «Recht auf Laden». Ausgehend vom Verband Swiss eMobility wurde die Ladeinfrastruktur für Mieter in die Politik getragen. Wie in anderen Ländern auch, etwa in Deutschland, fordert der Verband für Mieter und Stockwerkeigentümer ein Recht auf eine Lademöglichkeit an der Wohnadresse.
Die Forderung wurde folgendermassen begründet: «Die meisten Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz verfügen nicht über unabhängiges Wohneigentum. Sie können somit Heimladestationen nicht in der eigenen Garage installieren, sondern sind auf den Goodwill von Immobilienbesitzern, Verwaltungen und Miteigentümern angewiesen. Wie in anderen europäischen Ländern sollen Mieter und Stockwerkeigentümer künftig einen Anspruch haben, eine eigene Ladestation installieren zu dürfen.» Jürg Grossen, GLP-Nationalrat aus dem Kanton Bern und Swiss-eMobility-Präsident, lancierte dazu eine entsprechende Motion, wonach der Bundesrat beauftragt wird, die gesetzlichen Grundlagen für einen Anspruch von Mietern und Stockwerkeigentümern auf den Zugang zu einer Ladestation für Elektroautos zu schaffen. Private Ladeinfrastrukturen sollen dort entstehen, wo Autos am längsten stehen – in gemeinschaftlich genutzten Einstellhallen und auf Parkflächen. Vermieter und Stockwerkeigentümergemeinschaften sollen das Recht haben, die im Sinne von Gesamtlösungen für intelligentes, steuerbares Laden notwendigen Massnahmen festzulegen und zu realisieren.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, im Parlament erhielt sie aber breite Unterstützung. Weil sie jedoch nicht innert der Frist von zwei Jahren abschliessend behandelt wurde, musste sie Mitte März 2023 abgeschrieben werden. Jürg Grossen hat aber schon angekündigt, politisch am Anliegen dranzubleiben, und erwartet dabei die Unterstützung des Hauseigentümerverbands. Dieser wehrt sich allerdings gegen Eingriffe in die Eigentumsgarantie. Eine entsprechende Interpellation mit Fragen an den Bundesrat hat Jürg Grossen bereits eingereicht. Im Sommer will er dann, gestützt auf die Antworten auf seine Interpellation, einen neuen Vorstoss mit verbindlichen Massnahmen einreichen.
Im Kanton Luzern ist noch ein Vorstoss hängig, der in die gleiche Richtung zielt. FDP-Kantonsrat Thomas Meier hatte im August 2020 zusammen mit 60 Mitunterzeichnenden eine Motion eingereicht, welche diese Gesetzesänderung zur Folge hätte: Parkplätze von Mehrfamilienhäusern müssten mit der Grundinfrastruktur für Ladestationen ausgestattet werden. Dies betrifft die gesamte Starkstrominstallation ab der Haupt- beziehungsweise der Messverteilung, inklusive Messeinrichtung. Die eigentliche Installation einer Ladestation wird dann Sache des Mieters sein. Um das Klimaziel «Netto null bis 2050» zu schaffen, brauche es eine rasche Dekarbonisierung des Individualverkehrs und dessen komplette Elektrifizierung bis im Jahr 2050, ist Thomas Meier überzeugt.
In der Januar-Session 2022 überwies der Luzerner Kantonsrat die Motion mit 90 Ja- zu 21 Nein-Stimmen. Auch vom Regierungsrat des Kantons Luzern werden dieses Ansinnen und damit die Motion unterstützt, die er am 19. Oktober 2022 als erheblich erklärte. Denn neben der Förderung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge stehe im Planungsbericht Klima und Energie genau das ohnehin schon drin. «Der Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur ist eine zentrale Voraussetzung, damit sich die Elektromobilität durchsetzen kann», begründete die Regierung ihre Haltung in ihrer Stellungnahme an den Kantonsrat. Und: «Die konkrete Ausgestaltung auf Gesetzesstufe wird im Rahmen der Massnahmenumsetzung auszuarbeiten und Ihrem Rat im Rahmen einer nächsten Revision des Planungs- und Baugesetzes - bei Bedarf koordiniert mit weiteren Gesetzesanpassungen – mittels Botschaft zur Beratung und zum Beschluss vorzulegen sein».
Durch die Motion würde das Planungs- und Baugesetz so verändert, dass bei Neu- und Umbauten von Immobilien im Stockwerkeigentum, im Miteigentum und im Mietverhältnis bei allen Garagenplätzen die technischen Grundlagen für die Installation einer Ladestation zu legen sind. Nun ist die Regierung daran, die konkrete Ausgestaltung der Vorgaben auf Gesetzesstufe im Rahmen der Massnahmenumsetzung auszuarbeiten. Der neue Gesetzesentwurf wird dem Kantonsrat im Rahmen einer nächsten Revision des Planungs- und Baugesetzes vorgelegt. Vorher findet noch eine Vernehmlassung statt.
Der Kanton Luzern zeigt sich aber auch sonst schon fortschrittlich und leistet finanzielle Hilfe: Der freiwillige Bau einer Basisinfrastruktur in bestehenden Mehrparteiengebäuden mit mindestens drei Wohneinheiten wird mit einem Förderbeitrag von 400 Franken pro Parkplatz unterstützt. Förderberechtigt sind Ladeinfrastrukturen, die nach dem 1. Januar 2022 installiert und in Betrieb genommen wurden. Nicht förderberechtigt sind solche Installationen bei Neubauten. In anderen Kantonen und in etlichen Gemeinden und Städten werden ebenfalls finanzielle Zuschüsse ausgerichtet – sie belaufen sich zum Teil auf bis zu 60 Prozent der Kosten für die Grundinstallation wie zum Beispiel bei der Erschliessung einer Tiefgarage mit den nötigen Stromleitungen. Die Höhe des Förderbetrags ist dabei jeweils abhängig von der Grösse des Projekts. Ausserdem winken Subventionen von vielen Gemeinden und Energieunternehmen für die Installation von netzwerkfähigen Ladestationen mit intelligentem Lastmanagement.
Im Kanton Zürich sprach der Kantonsrat einen Rahmenkredit in der Höhe von 50 Millionen Franken für den Ausbau der Ladeinfrastruktur, der für die Jahre 2023 bis 2026 gilt. Mit diesem Anreiz soll vor allem die Installation der Grundvoraussetzungen für Ladestationen in Mietshäusern und Immobilien im Stockwerkeigentum vorangebracht werden. Pro Parkplatz beläuft sich die Fördersumme auf 500 Franken, maximal werden 80 Prozent der Investitionen oder 20'000 Franken pro Gesuch erstattet. Um von der Förderung profitieren zu können, sind der Einsatz eines Lastmanagements und der Bezug von erneuerbarem Strom Voraussetzung.
Und auch die Stadt Aarau, um noch ein kommunales Beispiel zu nennen, greift Ausbaukonzepten für Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern und Gewerbeliegenschaften finanziell unter die Arme. Maximal 50 Prozent der Kosten zur Konzepterstellung oder 3000 Franken pro Gesuch sind als Förderbeitrag möglich. Die Stadt Baden wiederum beteiligt sich bei Mehrfamilienhäusern und Stockwerkeigentum ab drei Einheiten an den Kosten, die durch die Neuinstallation von Elektroladestationen und von deren Erschliessung anfallen.
Der Bundesrat will vorwärts machen
Zur Förderung der Elektromobilität beabsichtigt der Bundesrat, in der Zeitspanne von 2025 bis 2030 pro Jahr je 30 Millionen Franken zur Verfügung zu stellen. Insgesamt wären das 180 Millionen Franken an Subventionen, die dem Bau von Ladestationen zugutekommen sollen. Dies geht aus der bundesrätlichen Botschaft zum revidierten CO2-Gesetz hervor, das die Klimapolitik in den besagten sechs Jahren prägen wird.
Handlungsbedarf sieht der Bundesrat vor allem bei den Lademöglichkeiten am Wohnort, insbesondere bei Mehrfamilienhäusern, und am Arbeitsplatz. Stände- und Nationalrat werden sich auch noch mit dem revidierten CO2-Gesetz zu befassen haben.