Wohnanlage Neue Ortsmitte
Back to Projects list- Location
- Ortsmitte, 89287 Bellenberg, Niemcy
- Year
- 2018
- Team
- Architekturbüro Nething Generalplaner GmbH
- Hersteller Mauerziegel (Wärmedämmziegel)
- Ziegelwerk Bellenberg Wiest GmbH & Co. KG
Bauen im ländlichen Bereich verlangt nach neuen Ideen. Im bayerisch-schwäbischen Bellenberg ist ein vielbeachtetes Bauprojekt realisiert worden.
Viele ländliche Regionen befinden sich im Wandel. Ihre Bewohnerstruktur ändert sich und mit ihr die traditionellen Funktionen. Ursprüngliche Ortscharakter sind bedroht weil der Flächenverbrauch an den Rändern der Gemeinden zunimmt und die Ortskerne veröden. Mit der Schaffung neuer Baugebiete soll möglichst schnell der Druck auf den Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen gemildert werden. Nachhaltig ist das nicht. In den Ortsmitten nehmen Leerstände zu während der Ring aus Wohn- und Gewerbegebieten wächst. Eigentlich sinnvollere Innenentwicklungen werden häufig frühzeitig verworfen - unter anderem wegen Gegebenheiten wie ungünstigen Grundstückszuschnitten, belastendem Durchgangsverkehr, schwer sanierbaren Altbeständen oder komplizierten Eigentumsverhältnissen.
Im bayerisch-schwäbischen Bellenberg haben Bauherrenschaft, Architekten und Lokalpolitik Mut und Geduld bewiesen. Entlang der Ortsdurchgangsstraße die Bellenberg mit Ulm und Vöhringen im Norden sowie Illertissen im Süden verbindet ist ein ebenso unscheinbares wie bemerkenswertes Stadtquartier entstanden: Die Neue Mitte.
Auf dem Gelände eines ehemaligen Gasthofes ist innerhalb von 15 Monaten ein Ersatzbau aus drei Mehrfamilienhäusern mit Gewerbeeinheiten entstanden. Heute wohnen hier rund 60 Menschen sowie die Gäste einer Tagespflegestation für Senioren. Hinzu kommen Mitarbeiter in Ladenlokalen, Büros und Praxen. Das Besondere daran: Bei der Neuen Mitte wurde die Idee des Mehrgenerationen -Wohnens neu gedacht. So wurden die Bedürfnisse der ortstypischen Bevölkerungsstruktur bedacht. Jung und Alt sollte ein nachhaltiges Zusammenleben im Ortskern von Bellenberg dauerhaft möglich werden.
Für die junge Generation wurde unweit der Elternhäuser zentral attraktiver Wohnraum geschaffen. Die ältere Generation kann möglichst lange in ihrer gewohnten Ortsumgebung leben. Ihre zumeist berufstätigen Familien werden tagsüber durch das Pflege- und Betreuungsangebot bestmöglich unterstützt.
Die Architektur - unscheinbar und doch bemerkenswert
Auch die gestalterische Herangehensweise war den Anforderungen an das Bauen im ländlichen Raum angemessen. Die Eigenheiten und örtlichen Besonderheiten wurden herausarbeitet, im Kern erfasst und für den Entwurf nutzbar gemacht. Elemente und Prinzipien des umliegenden Bestands wurden in Zusammenarbeit von Architekten, Handwerkern und Bauherrenschaft weiterentwickelt und neu interpretiert. Dabei wurde einerseits Wert auf typische traditionelle Erscheinungsformen gelegt – anderseits ist die bauliche Veränderung auch deutlich als neue Zutat erkennbar. Die Architekten des Architekturbüro Nething Generalplaner GmbH verfolgten für das Quartier das Konzept einer „gebrochenen“ Häuserzeile. Das heißt, sie positionierten keinen kompakten Häuserblock auf das freie Grundstück, sondern planten drei versetzte Gebäude mit Giebeldächern, die sich harmonisch in das Ortsbild integrieren. Mit klaren Gebäudeformen, modernen Grundrissen sowie nachhaltiger Bauweise wurden auch die drei Hauptkriterien des Bauherrn erfüllt. So sind attraktive Baukörper in zeitgemäßer Architektur und einer gehobenen, barrierefreien Ausstattung entstanden. Um Wertbeständigkeit und ökologische Verträglichkeit zu steigern, wurden die Häuser komplett in Ziegelmassivbauweise ausgeführt.
Ziegelmauerwerk für besseren Schallschutz
Die drei Häuser wurden als schlanke Quader mit Satteldach und Gauben im Dachbereich ausgeführt. Die schlichten Fassaden werden durch große Fensterflächen dominiert, die Loggien und Balkone erhalten farbige Akzente. Bewusst setzten Bauherr und Architekt auf den nachhaltigen Mauerwerksbau aus Ziegeln. Besondere Herausforderung für die Planung war die direkte Lage an der Ortsdurchgangsstraße. Durch die Verwendung des Planziegel MZ90-G des ortsansässigen Ziegelwerk Bellenberg werden die Anforderungen an den Schutz vor Verkehrslärm mit einschaligen, hoch wärmedämmenden Ziegelwänden erreicht. Somit ist das Ensemble sehr gut gegen Außenlärm geschützt. Der MZ90-G weiß nicht nur durch guten Schallschutz zu überzeugen, sondern auch durch hervorragende Wärmedämmung. Seine Kammern sind mit Pads aus mineralischer Brickrock® Dämmung gefüllt wodurch der Ziegel bei einer Stärke von 36,5 cm einen U-Wert von 0,23 W/m²/K erreicht. Damit konnte auf ein außenwandiges Wärmedämmverbundsystem verzichtet werden. Er ist zudem als Brandwand geeignet. Bei den Innenwänden entschieden sich die Planer überwiegend für den Hochlochziegel ThermoBlock® TS², der im Vergleich zu anderen Materialien eine sehr gute Wärmespeicherfähigkeit besitzt und damit einen wichtigen Beitrag zum Innenraumklima leistet.
Neben der Ausführung in massiver Ziegelbauweise entschied sich das Planungsteam in Sachen Energetik für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe und eine Gas-Brennwertheizung zur Spitzenlastabsicherung. Mit dieser Technik konnte der KfW 70 Standard problemlos erreicht werden. So lassen sich Umweltschutz sowie die gesetzlichen Auflagen zur Heizkostenersparnis hervorragend miteinander vereinen. Eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmetauscher regelt zusätzlich den Luftwechsel im Gebäude, was insbesondere im Winter die Energiekosten positiv beeinflusst. Zudem kam eine maschinelle Belüftung der zur Straße gelegenen Schlaf- und Kinderzimmer zum Einsatz. Die großflächigen Fenster auf der Südseite lassen auch in der kalten Jahreszeit Sonnenwärme einfallen, in den Sommermonaten können diese mit elektrischen Jalousien beschattet und so die Wohnungen kühl gehalten werden. Auch bei der Gestaltung der Freiflächen legten die Planer Wert auf eine ansprechende Lösung: Parkplätze „verschwanden“ in einer Tiefgarage, was Platz für grüne Außenräume und einen Spielplatz schuf.
Zentral Wohnen im Grünen
Die Mehrfamilienhäuser verfügen mehrheitlich über nur drei Wohneinheiten pro Etage. So können sich kleine Hausgemeinschaften bilden, in denen sich die Nachbarn gegenseitig unterstützen und vertrauen. Die Wohneinheiten umfassen zwei bis fünf Zimmer, zwischen 40 und 100 Quadratmetern. Von kompakt bis familienfreundlich gibt es so für jeden Bedarf den passenden Wohnraum. Alle Etagen sind über einen Aufzug erreichbar, der bis in die gemeinsame Tiefgarage reicht. Die gesamte Wohnanlage wurde barrierefrei gestaltet. In den Wohnungen legte der Bauherr Wert auf eine wertige und zeitgemäße Ausstattung. Naturholzparkett und helle Fließen kamen als Bodenbeläge zum Einsatz. Tageslichtbäder mit bodenebenen Duschen bieten Komfort in allen Lebenslagen.
Bauseits installierte Einbauküchen gehören ebenfalls zur Ausstattung, sodass bei einem Nutzerwechsel kein lästiger Ausbau mehr erfolgen muss. Großformatige, tiefe Fensterflächen sorgen für viel Tageslicht und damit Wohlfühlambiente. In der kalten Jahreszeit sorgt die Fußbodenheizung für eine angenehm gleichmäßige Wärme. Alle Wohnungen verfügen außerdem über großzügige Loggien oder Balkone. Zu den Erdgeschosswohnungen gehören Gartenanteile mit Terrasse. Im Untergeschoss befinden sich die Kellerabteile, im gemeinschaftlichen Fahrradraum können Zweiräder bequem und sicher abgestellt werden. Ein attraktives Begrünungskonzept rundet das Erscheinungsbild der Wohnanlage mit üppigen Pflanzzonen, Rasenflächen und Kinderspielbereichen ab.
Alles eine Frage der Bauweise
Schön soll es sein, ein großes Bad haben, lichtdurchflutete Wohnräume und eine Traumküche. So oder so ähnlich waren die Wünsche der letzten Bauherrengenerationen. Doch die Zeiten ändern sich. Mittlerweile muss Bauen und Wohnen bezahlbar und vor allem eines sein: Gesund. Was bei Kindergärten und Krankenhäusern längst selbstverständlich ist, wird auch von den eigenen vier Wänden erwartet: Schadstoffe haben im Wohnumfeld nichts verloren. Die Frage nach der Bauweise ist längst keine Philosophie unter Fachleuten mehr, sondern ein handfestes Argument für die Bewohner.
Allergien und andere Krankheitsbilder gehören mittlerweile zum Alltag. Die Menschen machen sich Gedanken über ihr Zuhause, in dem sie die Hälfte des Tages und länger verbringen – ein Leben lang. Sie wissen, dass nicht nur Farben, Klebstoffe und Möbel, sondern auch Böden, Decken und Wände über Jahre Schadstoffe abgeben können. Das gilt es möglichst zu vermeiden oder auf ein Minimum zu reduzieren.
Am häufigsten betrifft es die Dämmung. Der durch geschickte Lobbyarbeit von der Politik verordnete Dämmwahn offenbart längst seine Schattenseiten. Im Visier der Kritiker ist vor allem Styropor, das in Plattenform hauptsächlich auf Beton- und Kalksandsteinwände geklebt wird. Das aus Erdöl hergestellte Material wurde lange als giftig eingestuft, vor allem wenn es mit Chemikalien zum Schutz vor Algen- und Schimmelbefall sowie Flammschutzmittel behandelt wird. Schaumkunststoffe können brennen. Dies gilt aber auch für einige andere Materialien wie beispielsweise Holz und Holzwerkstoffe. Am sichersten bewertet sind Glas, Ziegel und Mineralfasern. So haben findige Ziegelhersteller eine Steinwolle-Dämmung einfach in den Ziegel integriert. Das Ergebnis ist ein sicherer, gut dämmender und baubiologisch empfehlenswerter Wandbaustoff.
Bei der Neuen Mitte in Bellenberg haben Bauherrenschaft, Planer und Bauausführende bewiesen, dass sie Verantwortung übernehmen. Preiswerten Wohnraum zu schaffen ist nicht gleichzusetzen mit der vermeintlich billigsten Bauweise. Denn jedes Haus, das die Bedürfnisse nach Wohngesundheit nicht erfüllen kann, ist seinen Preis nicht wert.
In nur 15 Monaten Bauzeit entstanden rund 2.800 Quadratmeter wertvoller Wohnraum. Für die Ausführung in Ziegelbauweise einschließlich gehobener Ausstattung und moderner Heiztechnik beliefen sich die Gebäudekosten pro Quadratmeter auf moderate 2.050 Euro, die Tiefgarage nicht einberechnet.
Die Kaltmiete beträgt je nach Wohnungsgröße 8,00 bis 8,50 Euro und entspricht der ortsüblichen Durchschnittsmiete. Anfang 2017 zogen die ersten Mieter ein – heute ist die „Bellenberger Neue Mitte“ ein lebendiges Wohnquartier mit Zukunft.
Ziegel - Baustoff aus der Region
Ton, Lehm und Wasser: An den natürlichen Bestandteilen des Ziegels hat sich in den Jahrtausenden seiner Nutzung nichts geändert. Lehme und Tone für Bellenberger Ziegel werden oberflächennah im Tagebauverfahren gewonnen. Sie stammen hauptsächlich aus Lagerstätten in unmittelbarer Nähe des Ziegelwerks. Im Kollergang und den Walzwerken werden Tone und Lehme mechanisch aufbereitet und zerkleinert. Die für den späteren Mauerziegel wichtigen Grundstoffe werden zusammen mit Steinmehlen und Porosierungsstoffen in bestimmten Verhältnissen gemischt und befeuchtet. Nach der Lagerung im Sumpfhaus und erneutem Walzen wird die Rohmasse mit hohem Druck durch Mundstücke an einem Strang gepresst und in Einzelformate geschnitten. Nach diesem Schritt sind Format und Lochbild des Ziegels zu erkennen. Die geformten Ziegelrohlinge kommen nun über Förderstraßen in den Trockner, der energiesparend mit der Abwärme des Tunnelofens betrieben wird. Je nach Format und Rohdichte beträgt die Trocknungszeit etwa 24 Stunden. Anschließend durchlaufen die Rohlinge den Tunnelofen. Bei Temperaturen zwischen 850 und 1.000 Grad Celsius wird der Ziegel gebrannt. Dabei wird das kapillare Wasser aus dem Ton getrieben. Zudem verbrennen die im Ton eingeschlossenen Porosierungsstoffe vollständig und bilden eine Vielzahl von Mikroluftkammern, die im später gebauten Haus ein optimales Dämmverhalten ermöglichen. Abschließend werden die Ziegel palettiert, verpackt und bis zur Lieferung an die Baustelle auf dem Werksgelände in Bellenberg gelagert.